Negermusik oder besser Blues auf dem Mississippi statt „Tod auf dem Nil“ von und mit Kenneth Branagh

Szene in "Tod auf dem Nil" von und mit Kenneth Branagh. © Copyright Walt Disney Germany, BU: Stefan Pribnow

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Die Studio-Produktion „Tod auf dem Nil“ hat mit dem Nil so wenig zu tun wie mit dem gleichnamigen Buch von Agatha Christie aus dem Jahr 1937 nach unserer Zeitrechnung. Blues auf dem Mississippi wäre wohl als Titel passender gewesen.

Denn den der auch Negermusik genannte Mississippi-Blues wabert durch den Film wie echte Negerinnen oder Schwarze oder Afroamerikaner, die es auf den Raddampfer „Karnak“ zwar nicht wie die Kanaken treiben, sondern wie die Bourgeoisie, aber das macht das Treiben nicht besser. A propos Karnak. Nicht eine Szene, die im Studio entstand, spielt in Luxor. Der Stein, der fällt, aber niemanden trifft, davor Angst und Schrecken einflößt und Spannun gerzeugt, der fällt in Abu Simbel und also im noch nubischen Ägypten. Doch wie soll ein Flußkreuzfahrtschiff, das auf dem Nil zwischen Luxor und Assuan pendelt, die Katarakt genannten Stromschnellen hinaufkommen, jedenfalls den ersten Katarakt in Assuan?

Und wie, wenn wir schon einmal dabei sind, soll ein Flußkreuzfahrtschiff den etwa ein Dutzend Kilometer südlich von Assuan gebauten Assuan-Staudamm, der auch Assuan-Hochdamm genannt wird, hinaufkommen? Der ist mit 111 Metern wahrlich hoch. Das wäre noch nicht einmal mit der „Molly Aida“, besser bekannt als Fitzcarraldo-Schiff gelungen, das von 2 000 Indios über einen Berg in Brasilien gezerrt wurde. Auf der Krone ist dieser Damm 3.830 Meter lang. Oben ist er zudem stolze 40 Meter breit und unten sage und schreibe 980 Meter. Kein Wunder, daß damals rund zehn Jahre an dem Damm, der das Wasser des Nils zum Nassersee, der sich bis in den Sudan aufstaut, genannt. Doch heißt er übrigen Nubia-See.

Wie auch immer der Stausee genannt wird, da kommt kein Flußkreuzfahrtschiff hoch, auch nicht die „Karnak“, die allerdings die alte Staumauer, die sieben Kilometer südwestlich von Assuan liegt, überwunden hätte. Dafür wurde eine Schleuse gebaut. Damals verkehrt eine solches Schiff zwischen Kairo und dem Wadi Halfa im Sudan.

240 Kilometer südwestlich von Assuan nach Abu Simbel wäre Agatha Christie, die damals dort war, also nicht nur mit Kamelen gekommen. Allerdings kam der im 13. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung errichtete Felsentempel von König Ramses II aus der 19. Dynastie des altägyptischen Neuen Reiches höher. Er wurde in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung versetzt.

Zurück zur Produktion im Verleih von „Walt Disney Studios Motion Pictures Germany“ (Eigenschreibweise) mit dem Titel „Tod auf dem Nil“ von und mit Kenneth Branagh, denn der spielte nicht nur den ikonischer belgischen Detektiv Hercule Poirot, nicht Porridge, sondern führte auch Regie. Der ermittelt auf einem schneeweißen Schaufelraddampfer wie auf Schneewittchen. Das wirkt wackelig, nicht witzig. Daß Teile der Pyramiden und Abu Simbels in Groß-London nachgebaut wurden, das sieht man nicht. Doch die nachgebaute Sudan von 1921, die im schottischen Paisley erbaut wurde, die wirkt unecht wie Schneewittchen und die Schauspieler verkommen in diesem Film zu Zwergen, bei denen es nicht mehr auf Mimik und Gestik ankommt, sondern nur noch auf Klamotten und Kulissen. Der Film ist so keimfrei wie ein Musical im Metropolen-Kapitalismus. Vielleicht hätten alle singen sollen?!

Wenn der Käse Wurst ist, dann kann man auch auf dem Mississippi rumschippern bei Blues oder der anderen schöner Negermusik, die Jazz genannt wird. Ein aparter Mix aus Jazz und Blues täte es auch.

Filmographische Angaben

  • Originaltitel: Death on the Nile
  • Deutscher Titel: Tod auf dem Nil
  • Staat: VSA.
  • Jahr: 2022
  • Originalsprache Englisch
  • Regie: Kenneth Branagh
  • Drehbuch: Michael Green
  • Kamera: Harris Hambarloukos
  • Szenenbild: Jim Clay
  • Schnitt: Úna Ní Dhonghaíle
  • Musik: Patrick Doyle
  • Produktion: Kenneth Branagh, Ridley Scott, Kevin J. Walsh, Judy Hofflund
  • Darsteller: Kenneth Branagh (Hercule Poirot), Gal Gadot (Linnet Ridgeway-Doyle), Armie Hammer (Simon Doyle), Emma Mackey (Jacqueline de Bellefort), Tom Bateman (Bouc), Annette Bening (Euphemia Bouc), Letitia Wright (Rosalie Otterbourne), Sophie Okonedo (Salome Otterbourne), Jennifer Saunders (Marie Van Schuyler), Dawn French (Mrs. Bowers), Ali Fazal (Andrew Katchadourian), Russell Brand (Dr. Linus Windlesham), Rose Leslie (Louise Bourget), Rick Warden (Monsieur Blondin), Adam Garcia (Syd), Orlando Seale (Captain Rens), Susannah Fielding (Katherine)
  • Starttermin in der BRD: 10.2.2022
  • Altersfreigabe: FSK 12, JMK 12
  • Länge: 128 Minuten

Anmerkung:

Siehe auch den Artikel Agatha Christie‘s Krimi-Klassiker mit Peter Ustinov: Am 4. Januar 2022 „Tod auf dem Nil“ im Kino von Ulf Peter.

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