Wie ein Vater drei kleine Jungen ertränkte – Annotation zum Buch „Drei Söhne – Ein Mordprozess“ von Helen Garner

© Berlin Verlag

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Im Jahr 2005 fährt Robert mit seinen drei kleinen Söhnen zurück zu seiner Exfrau Cindy. Diese bewohnt mit ihrem neuen Mann, den Kindern und einem schicken Auto das Haus der einstigen Familie Robert/Cindy. Plötzlich „bricht der Wagen aus“. Robert wird angeblich ohnmächtig und das Auto steuert, gelenkt wie durch Geisterhand, direkt in einen eiskalten See. „Wie durch ein Wunder“ erwacht Robert aus seiner Ohnmacht, befreit sich aus dem Wagen, schwimmt ans Ufer, indes seine drei Jungs im feuchten Grab versinken.

Er hält ein Auto an, lässt sich von zwei Bauertölpeln zu seiner Exfrau fahren, um ihr vom Tod der Jungs Mitteilung zu machen. Er holt keine Hilfe, sein Ziel ist es einzig, Cindy vom Tod ihrer Kinder zu berichten. Er bricht heulend zusammen und verbringt in dieser Körperhaltung die nächsten Jahre.

Helen Garner berichtet auf ungemein quälende Art über den Mordprozess gegen Robert. Das ist auch gut so, weil uns so nie der Gedanke an den unendlichen Schmerz über den sinnlosen Tod der drei niedlichen Buben verlässt.
Angespornt von einem ehrgeizigen Anwalt, ergibt sich Robert in der Pose des armen Kranken, der für „all das nichts kann“. Wir verfolgen den Prozess inkl. Berufung und erleben auf eindringliche Weise hautnah das Familiendrama in all seinen schrecklichen Facetten.

Unendlicher Schmerz, die hässlichen Seiten des Menschen, ein Buch ohne Hoffnung, das Gegenteil von besinnlich, harter, schnörkelloser Tobak, ein Buch über das abgrundtief Böse. Man möchte es entnervt zuklappen, doch man muss einfach weiter lesen, bis zum bitteren Ende.

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Helen Garner, Drei Söhne – Ein Mordprozess, 352 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Übersetzt von: Lina Falkner, Berlin Verlag, Berlin 01.09.2016, ISBN: 3-8270-1269-2, Preis: 20,00 EUR (D), 20,60 EUR (A)

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