„Zum Alten Fritz“ – Serie: An der Haltestelle (Teil 3/4)

Traute und Arno Surminski in ihrem Haus in Hamburg-Barmbek. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Hamburg-Barmbek 18.10.2016

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). „Zum Alten Fritz“ ist eine Kurzgeschichte aus dem neuen Buch „An der Haltestelle“ von Arno Surminski. Heute im KULTUREXPRESSO präsentieren wir eine Vorveröffentlichung.

Heute besuchen wir Piepenfritz.

Wer ist das denn?

Na, der Alte aus Potsdam.

Raucht er Pfeife?

Nee, er spielt Flöte, darum heißt er Piepenfritz.

Der ist schon dreihundert Jahre tot, sagte Egon.

Macht nichts, antwortete Hannes. Wir haben eine Einladung von ihm, und wir fahren hin.

Seid ihr überhaupt Preußen? mischte Egon sich ein.

Walter ist Preuße, ich bin ein Holsteiner aus Bullerbü, sagte Hannes. Das sollte langen für Piepenfritz.

Sollen wir etwas mitbringen aus Potsdam? fragten sie Elvira.

Die überlegte lange, entschied sich schließlich für den dreizackigen Hut, den der Alte Fritz getragen hatte. Den wollte sie in Himmelschlösschen über die Tür hängen, und jeder der vorbeigeht, sollte den preußischen König grüßen.

Vergesst nicht, einen Blumenstrauß für seine Frau mitzunehmen, sagte Egon.

Von einer Frau haben wir nie gehört, erklärte Walter. Es wird gesagt, dass er Frauen nicht mochte. Eine Angetraute hatte er, aber die durfte nicht mal seine Hunde füttern, und er hat sie mit Sie angeredet.

Wisst ihr, wie sein Schloss heißt? fragte Elvira. Den Namen müsst ihr euch merken, sonst kommt ihr nicht rein.

Na, die Adresse wird doch wohl im Telefonbuch stehen, meinte Walter.

Ohne-Sorgen, erklärte Elvira.

Wie kann ein Mensch, der drei gewaltige Kriege auf dem Gewissen hat, sein Schloss Ohne-Sorgen nennen? wunderte sich Hannes.

Was gab es noch in Potsdam zu bedenken?

Vergesst den Müller nicht, rief Egon ihnen nach.

Wer ist das denn?

Der Müller von Sanssoucis hat den Alten Fritzen fix geärgert, weil er seine Mühle Tag und Nacht klappern ließ und Piepenfritz nicht in den Schlaf finden konnte, erklärte Egon.

Da hat er wohl eine Kanone abgefeuert und die Mühle in Brand geschossen, meinte Hannes.

Hat er nicht. Er ging zu Gericht, und der Richter sprach ein Urteil, auch Könige müssten das Klappern von Mühlen aushalten. Seitdem gibt es Recht und Ordnung in Preußen.

Aber Preußen existiert doch gar nicht mehr, sagte Hannes.

Das ist ja das Unglück, meinte Walter. Weil es kein Preußen mehr gibt, geht bei uns alles drunter und drüber.

Jetzt weiß ich auch, warum der Alte Fritz so oft in den Krieg gezogen ist, sagte Hannes. Weil der Müller ihm die Ohren vollgeklappert hat und er seine Ruhe haben wollte.

In den Schlachten klappert es doch auch, bemerkte Egon.

Aber nicht Tag und Nacht. Bei Dunkelheit hören die Kanonen auf zu donnern, und der König geht schlafen.

Wundert mich bloß, warum ein großer König sich das Mühlenklappern hat gefallen lassen, sagte Hannes.

Was sollte er machen? Er hatte den Richter eingesetzt, die Mühle war preußisch und der Müller auch. Also musste auch ein preußischer König das Urteil befolgen.

Drei Tage blieben sie fort. Bei der Rückkehr trug jeder einen Orden am Rockaufschlag.

Hat uns der Alte Fritz geschenkt, sagte Hannes.

Egon hielt seine Nase an die Orden.

Riecht gewaltig nach Pfefferkuchen, meinte er.

Gab es in Sanssoucis auch etwas zu essen? fragte Elvira.

Wir saßen in seiner Tafelrunde, rauchten seinen Pfeifentabak und sprachen über die Schlacht von Leuthen, erzählte Walter. Die Jagdhunde leckten uns die Hände, und der Alte Fritz spielte uns auf der Flöte den Hohenfriedberger vor.

Kommt bald wieder! rief er, bevor er in seinem Mausoleum verschwand.

Beim Abendessen am runden Tisch sangen sie für die beiden Heimkehrer: „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach.“

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