Einblicke in die Westberliner Musik-Subkultur – Kritik zum Buch „Berlin, Punk, PVC“ von Gerrit Meijer

© Verlag Neues Leben

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Im Jahr 1977 landeten mit der Band PVC um Gerrit Meijer in Westberlin die ersten einheimischen Punkrocker. Manche getollschockten Erdenwürmer meinten seinerzeit, sie kämen direkt vom Mars, oder mindestens aus einem Geheimlabor des KGB. Für die meisten Kids war es eine Offenbarung und der Beweis, dass Punkrock in Germany angelangt war. Sie traten erstmals in einem schicken Keller vor ihr Publikum, selbstverständlich im allerschönsten Schockoutfit. Die Herren traten auf mit einem Teufelskopf auf dem Oberkörper, einer überdimensionalen Schnittwunde auf der Stirn, einem malte die Transgender- und Punkikone Jayne County gar den Sinnspruch: „if you dont`t wann fuck me, fuck off“ aufs letzte Hemd. Dreihundert Dosen Bier, Wein aus der Flasche. Scheiß egal, Hautsache es war laut und rotzig. Das Konzert lief nicht wie am Schnürrchen, doch nach diversen Zugaben waren immerhin von 150 Zuhörern noch 30 im Keller.

Gerrit Meijer erweckt in seinem Erinnerungswerk diese erregende Zeit zu neuem Leben. Wir Leser sind anwesend bei den ersten Gehversuchen der Szene, erleben die frühen Konzerte der englischen Punk-Bands in Berlin-West und schauen den Protagonisten beim Stöbern in legendären Londoner Clubs, Plattenläden und Flohmärkten über die Schulter.

Die ersten 76 Seiten widmet sich Meijer seiner Westberliner Kindheit und Jugend. Mit viel Ironie beschreibt er seine Leute und ihre Gegend, die schwierige Lehrzeit und die Versuche musikalisch (und bei der Damenwelt) Fuß zu fassen. Dabei lässt er sich Zeit, das hat Esprit und gibt ein spannendes Stück Westberlin der 60er und 70er Jahre wieder. Auch auf den folgenden Seiten, wenn’s um die ersten Punkbands geht, hält er den Drive, der aber leider etwa bei der Hälfte des Buchs ins Schleudern gerät. Zu sehr verzettelt er sich in diverse Band- und Musikprojekte, die heute außer Insidern keinem geläufig sind. Hier hätte ein Lektor eingreifen müssen. Das Buch verliert an Tempo, Meijers eigene Geschichte stockt, man verliert ihn schließlich als Figur aus den Augen. Die Sprache bleibt klar und ironisch, er nimmt sich fein selbst auf den Scheffel, aber die Spannung verflüchtigt sich.

Freunden der West, – bzw. ab 1989 Gesamtberliner Musikszene werden diese Kapitel im Buch bestimmt trotzdem zusagen, dessen Stärke für mich im ersten Drittel lag.

Trotzdem: Das Buch gehört in jede gute Punkbibliothek, weil es Auskunft gibt über die frühen tapsigen Schritte der Szene.

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Gerrit Meijer, Berlin, Punk, PVC – Die unzensierte Geschichte, 256 Seiten, 12,5 x 21,0 cm, Klappenbroschur. mit Abb., Verlag Neues Leben, Berlin 2016, ISBN: 3-355-01849-4, Preis: 19,99 Euro

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