„Lass Merkel frei!“ Hermann-Sudermann-Verfilmung von „Katzensteg“ (1927) bei Berlinale-Retrospektive

Die Unehelichen
Die Unehelichen, Regie/director: Gerhard Lamprecht, Deutschland/Germany 1925. v.l.n.r./from left to right: Fee Wachsmuth, Ralph Ludwig, Margot Misch. Foto: © Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Ein Mann zwischen zwei Frauen, Regine und Helene. Schon bevor er Helene aus Versehen Regine nennt, ist alles klar. „Wenn du mich noch ein bisschen gern hast, lass Felix Merkel frei!“ bittet sie ihn auf dem Kirchhof, während er Regine am heimischen Herd wähnt. Doch Frauen wissen manchmal mehr, wissen nicht woher und können es nicht erklären. Intuition? Er erhielt einen Brief, es geht um ein Treffen um 9 Uhr, in einer Stunde will er zurück sein. Doch es kommt anders. Es geht um Leben und Tod.

Dieser Film der Berlinale-Retrospektive zeigt Preußen um 1807 und 1813

In einer Zeit ohne Telefon und Strom, ohne Dampfmaschine sogar, konnte so etwas passieren. „Schütze dieses Telefon – es kann Leben retten“ stand in den 70er, 80er und 90er Jahren an den gelben Telefonzellen der Deutschen Bundespost. Ob Handys wegen der Zellen auf englisch ‚cellphones‘ heißen? Heute retten Mobiltelefone leben oder zerstören es. Telefonzellen sind immer seltener anzutreffen, ob nun gelb oder rosa-grau.

Als es noch gar keinen Fernsprecher gab, konnte eine ganz andere Dramaturgie entstehen. Der oder die falsche wurde getötet, der richtige zieht in den Krieg und lässt sich dort töten. Das ganze als Stummfilm mit eingeblendeten Texten.

„Der Katzensteg“ spielt nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches; es zerfiel 1806, da der Kaiser nach Napoleons Siegen die Krone niederlegte. Preußen überlebte nur deswegen so stark, weil es 1701 in Königsberg i. Pr. zum Königreich wurde. Das was wir heute Ostpreußen nennen, ist eigentlich Preußen. Deswegen heißt es auch „Königsberg in Preußen“ und nicht ‚in Ostpreußen‘.

Stummfilme – fast exklusiv bei der Berlinale-Retrospektive

Stummfilme erscheinen uns als altmodisch, aber es gibt durchaus Menschen, die Stummfilme gegenüber modernen Krach-Filmen bevorzugen. Diese Menschen sind auch länger in der Lage, ihr Gehör zu bewahren und ohne Hörgerät auszukommen.

Heute mal nicht das kleine Schwarze, sondern das große Schwarzweiße

Auch das Schwarzweiße hat durchaus seinen Reiz und seine Berechtigung. Lav Diaz, großartiger Regisseur zweier Berlinale-Wettbewerbsfilme, darunter 2018 mit dem grandiosen Musical „Ang panahon ng halimaw“, wählt Schwarzweiß absichtlich und freiwillig.

Über den Wettbewerbsfilm von Lav Diaz 2016 („Hele sa Hiwagang Hapis“):

Die Wahrheit wird ans Licht kommen – Mammutwerk über die Geschichte der Philippinen im Berlinale-Wettbewerb

Manche zelebrieren Stummfilme, in dem sie in ein wie das Babylon-Mitte gehen, in dem regelmäßig Samstag um Mitternacht Filme live am Klavier begleitet werden. Fakt ist: Stummfilme bieten andere Möglichkeiten

Berlinale-Retrospektive „Weimarer Kino – neu gesehen“

68. Internationale Filmfestspiele Berlin 15.-25.2.2018

Der Ostpreuße Hermann Sudermann, Verfasser der Romanvorlage „Katzensteg“ für den Film der Berlinale-Retrospektive

Hermann Sudermann wurde am 30. September 1857 in Matzicken im Kreis Heydekrug in Ostpreußen geboren. Der Schriftsteller und Bühnenautor schrieb mindestens 7 Romane, darunter „Frau Sorge“, „Es war“ und „Das Hohe Lied“.

„Katzensteg“ (1890) war seine vierte Veröffentlichung und sein zweiter Roman als Monographie. Der Buchtitel „Katzensteg“ wird meist ohne Artikel angegeben, die Verfilmungen (1915 (Max Mack), 1927, 1937, 1974/75) mit. Sudermann verfasste auch Novellen und Erzählungen („Die indische Lilie“ u.a.).

In seinen letzten drei Lebensjahren veröffentlichte er noch genau je einen Roman, u.a. „Der tolle Professor“. In seinem Todesjahr 1928 erschien noch „Purzelchen“. Sudermann starb am 21. November in der Reichshauptstadt Berlin, als diese noch fein demokratisch war und Hoffnung regierte. Vor der Weltwirtschaftskrise in den Roaring Twenties.

Andere „Katzensteg“-Verfilmungen waren durch stärkeren Nationalismus und Aufwiegelung gegen die Franzosen gefärbt.

(Vorführungen KATZENSTEG am 17.2. um 12 im Zeughauskino und am 18.2. um 14.30 Uhr im Cinemaxx 8. Wann und wo man den Film sonst jemals noch sehen kann, ist am besten im Filmhaus bzw. in der Deutschen Kinemathek zu erfragen, ggf. auch bei der Berlinale-Retrospektive.)

Die Retrospektive „Weimarer Kino – neu gesehen“ ist nicht zu verwechseln mit den „Berlinale Classics“ wie Wim Wenders‘ „Himmel über Berlin“:

Der Himmel über Berlin in 4K – Ein Kultfilm feiert Weltpremiere auf der Berlinale

Bei der Berlinale-Retrospektive und überhaupt: „Wo sind meine Berlinale-Fundsachen?“

Achten Sie auf Ihre Sachen! Es gibt wieder ein Berlinale-Fundbüro in der Potsdamer Straße 5, aber erst ab 23. Februar (geöffnet wochentags 9-18 Uhr und am 24. und 25.).
Bis dahin werden die Fundsachen in den Kinos beziehungsweise Spielstätten aufbewahrt – wenn sie denn abgegeben werden. Das Beste für alle: Achtsamkeit.

www.berlinale.de

Anzeige

Vorheriger ArtikelDie Berlinale begann bei Savvy im Wedding. Antonia Alampi präsentiert Jasmina Metwaly im Forum Expanded
Nächster ArtikelIm Aftergang von London-Kapitalismus, NATO und EU – Zum Buch „Widerrede!“ von Martin Roth