Schön wie die Rosen sind – Annotation zum „Rosenroman“ von Zoltán Danyi

"Rosenroman", ein Roman von Zoltán Danyi. © Suhrkamp

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Im dreizehnten Jahrhundert ist der Rosenroman ein in Versform verfasster Roman, der die Liebe thematisiert. Er gilt als das erfolgreichste Werk mittelalterlicher französischer Literatur.

Im Jahr 2023 ist der „Rosenroman“ von Zoltán Danyi ein Roman, der die Zeit nach einer verlorenen Liebe thematisiert. Er spielt nicht in Frankreich, sondern in Serbien, genauer: in der Vojvodina. Als kleine Reminiszenz an den französischen Rosenroman ist die verlorene Geliebte im serbischen Rosenroman eine halbe Französin beziehungsweise eine in Serbien geborene Ungarin, deren Eltern zu Beginn der Jugoslawienkriege mit ihr nach Lyon oder Lille geflohen sind.

Sie kehrt nach dem Krieg für eine Weile nach Serbien ins Haus ihrer Familie zurück, weil ihr etwas in ihrem Leben fehlt oder vielleicht die alte Heimat. Frankreich pfui, Serbien hui.

Und sie verliebt sich in den Haupthelden, den schweigsamen Rosenzüchter. Der schweigt, um dem dunklen Schicksal zu entgehen. Die Frau kann sich vorstellen, mit ihm endlich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Ein Kinderwunsch in Serbien, diesem Nichtland, vollgestopft mit Kriegsverlierern?

Der Mann konnte dem Kriegsdienst in Jugoslawien und womöglich dem schnellen Heldentod dank dem Geschick und der Rosen seines Vaters entrinnen. Es kostete den Vater 4000 Rosenstöcke. Hier verlorene Heimat, dort verhinderter Heldentod. Beide entwurzelt wie die Rosen, die man im Herbst aus der Erde holt und über den Winter in einem Raum aufbewahrt. Traumata und Zwangsstörungen, in jeder vom Mann geschnittenen und verkauften Rose steckt ein Stück Krieg.

»Ich stand am Fenster und wartete, dass die Sonne unterging, denn das war die Regel, und wenn ich nicht wollte, dass etwas Schlimmes geschah, musste ich warten, bis sie untergegangen war.« Bereits im ersten Satz der Lebensbeichte des Erzählers erkennen wir dessen komplizierte Lebenstragik.

Der „Rosenroman“ ist ein Buch voll zwingend schöner Sätze, die von der Unmöglichkeit des Glücks in Zweisamkeit handeln. Oder vom huldreichen Weg von Schmerz in Sprache.

»Am ersten Nachmittag geschah nichts mehr, was erwähnenswert wäre, vielleicht nur so viel, dass ich auf dem Weg zurück einige Muschelschalen aus dem Sand aufhob«.

Fünf Punkte von fünf Punkten.

Bibliographische Angaben

Zoltán Danyi, Rosenroman, 441 Seiten, Übersetzerin aus dem Ungarischen: Terézia Mora, Sprache: Deutsch, Bindung: fester Einband mit Schutzumschlag, Format: ca. 13,6 x 21,6 x 3,8 cm, Gewicht: 558 g, Verlag: Suhrkamp Verlag, Berlin, 1. Auflage 11.9.2023, ISBN: 978-3-518-43130-6, Preis: 26 EUR (Deutschland), 26,80 EUR (Österreich), 36,50 SFr.

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