Stalins Tod und die Folgen. Film „The Death of Stalin“ erhellt.- Gesammeltes Schweigen – gerät der 17. Juni in Vergessenheit? Brauchen wir wieder einen Feiertag?

Das wichtige Datum an einem Straßenbenennungsschild: Der 17. Juni. © 2018, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Berlin/ Bernau/ Köthen/ Meitingen/ Mengen/ Schwarzenberg/ Worms, Deutschland (Kulturexpresso). Der 17. Juni ist heute kein Feiertag mehr; der Tag der deutschen Einheit ist am 3. Oktober. Doch er kann es – zumindest in Berlin – wieder werden. Der Regierende Bürgermeister Müller ist dafür, einen neuen Feiertag festzulegen. Da 2017 versprochen worden war, den Reformationstag nur einmalig bundesweit zu feiern, sollte man ein anderes Ereignis würdigen. 1848 war wenig mutig, die Karlsruher Straße in Berlin ist aus den falschen Gründen so benannt. 1918/19 wurde die Entkaiserung verkorkst und der nächste Ärger eingebrockt.

1953 zeugte der Aufstand im sowjetischen Sektor Berlins und in der DDR von Mut und Zivilcourage; auch wenn es zunächst nur um höhere Löhne ging. Oder wenigstens nicht mehr Arbeit zum gleichen Lohn. Anfang 1953 lebte Stalin noch. Panzer fuhren auf. Kanonen auf Spatzen? Oder war das Regime in Gefahr? Kalter Krieg, soviel ist gewiss. Seit wenigen Jahren hatte auch die UdSSR die Atombombe und die gemeinsame, friedliche Verwaltung der Viermächtestadt klappte nicht so richtig …

Der 17. Juni – eine gute Wahl

An 1953 zu erinnern, hat heute mehr Wert als der 500 Jahre zurückliegende Luthertag am 31. Oktober. Der internationale Frauentag, von einer Deutschen ins Leben gerufen, ist aufgrund der Übergenderisierung obsolet. Selbst namhafte Frauen lehnen öffentlich ab, ihn in Berlin als gesetzlichen Feiertag zu etablieren.

Da wäre der 17. Juni eine gute Wahl.

Immerhin war der 17. Juni 2018 arbeitsfrei. Der ehemalige „Tag der deutschen Einheit“ fiel auf einen Sonntag.

Jetzt mal ganz praktisch – und von der Religion abgesehen – betrachtet: ein Feiertag am 17. Juni passt viel besser in den Kalender. An Ultimo Oktober, dem letzten Tag des Monats, braucht niemand einen (bundesweiten) Feiertag. Der 3. Oktober liegt nur ein paar Wochen zurück im selben Monat. Buß- und Bettag und viele andere religiöse Feiertage füllen den grauen November, im Dezember folgt eine Planübererfüllung an Feiertagen.

Im Sommer dagegen hapert es. An Feiertagen. An Tagen, an denen man gut arbeiten kann. Wenn man blau macht und im Freibad schwitzen will, kann man das auch an einem Feiertag tun.
Der Mai steht im Sternzeichen Stier. Ausruhen und Bräsigkeit sind angesagt, besonders bei starkem Sonnenschein wie dieses Jahr. Global warming macht das immer öfter möglich. Auch der Juni mit dem Zwilling kann eine Pause – und sei es eine kreative – gebrauchen.

Was war eigentlich los im Juni und Juli 1953?

Der richtige Anlass wäre es. Es gab 1953 eine Welle von Streiks. Am Ende gab es zwischen 55 und 75 Tote. Zum Beispiel Alfred Diener aus Jena. Er wurde nur 26. Erschossen. Standrecht.

Früher hatte es im einen deutschen Staat geheißen, es habe über 500 Todesopfer gegeben. Im anderen hieß es: 25. Die Zahlen differieren um den Faktor 20. Welche Zahl in welcher Republik veröffentlicht wurde, kann man sich denken.

Stalin starb; ein Machtkampf entbrannte – auch in der DDR, erst im Machtzentrum, dann auf der Straße

Stalin war gestorben. Am 5. März. Leicht zu merken: 5.3.‘53. Das Ende des Stalinismus. Lawrenti Berija (Beria) war der neue starke Mann, mit dessen Rückendeckung sich Rudolf Herrnstadt, Chefredakteur der Tageszeitung „Neues Deutschland“ (ND) und Wilhelm Zaisser, Minister für Staatssicherheit gegen den Starken Mann Ulbricht positionierten.

Der neue Kurs wurde am 16. Juni 1953 vom Zentralkomitee (ZK) abgesegnet. Das klang so und eigentlich ganz prima: „Es geht darum, eine Deutsche Demokratische Republik zu schaffen, die für ihren Wohlstand, ihre soziale Gerechtigkeit, ihre Rechtssicherheit, ihre zutiefst nationalen Wesenszüge und ihre freiheitliche Atmosphäre die Zustimmung aller ehrlichen Deutschen findet.“

Probleme hatte die Ankündigung der Normenerhöhung im VeB Wohnungsbau zum 30. Juni 1953 bereitet. Rudolf Herrnstadt, (Mit-) Gründer des Berliner Verlags und des „Neuen Deutschlands“ war 1945-1949 Chefredakteur der „Berliner Zeitung“ gewesen. Am 14. Juni erschien im „ND“ unter Herrnstadts Ägide die Reportage „Es wird Zeit, den Holzhammer beiseite zu legen“. Die diktatorischen Methoden, mit denen die Normenerhöhung durchgesetzt worden war, wurden angeprangert. So jedenfalls konnte man die Kritik verstehen, die dem DDR-Bürger signalisierte, dass Ulbricht nicht unumstritten war. Auch im Zentrum der Macht nicht.

Weder in dem Zeitungsartikel vom 14. noch im neuen Kurs vom 16. wurde die Normenerhöhung zurückgenommen. Die Protest ließen sich nicht mehr aufhalten. Welchen Umfang sie annahmen, lässt nicht nicht nur die Zahl der Toten erahnen, sondern auch die etwa 1600 Verurteilten. Darunter waren zwei zum Tode Verurteile: Ernst Jennrich und Erna Dorn.
Der 17. Juni war in der Bundesrepublik – der Bonner Republik, dessen Hauptstadt der Kölner Konrad Adenauer mitbestimmt hatte – bereits bundesweiter Feiertag. Gesetzlicher Feiertag. Der Kampf um die Freiheit und bessere Bedingungen wurde gewürdigt. Endlich mal war jemand aufgestanden.

Gefährdet ein neuer 17. Juni das Bruttosozialprodukt?

Zu überlegen ist natürlich auch, ob wir uns als Staat und Gesellschaft einen weiteren Feiertag so ohne weiteres leisten können. Mancher erinnert sich noch daran, wie vor wenigen Jahren eine Steigerung des Bruttosozialprodukts gemeldet wurde. Einschränkend wurde hinzugefügt, den größten Anteil daran habe die Tatsache, dass in dem betrachteten Jahr kalenderbedingt ein Arbeitstag mehr lag.

Unsere Wirtschaftslage steht ja auf tönernen Füßen. Ist vielleicht geldpolitisch nicht so unbedenklich und sorglos zu betrachten, wie man es aufgrund der niedrigen Arbeitslosenzahlen vermuten könnte.

Vielleicht ist es falsch, die Hände einen Tag länger in den Schoß zu legen.

Vielleicht ist es besser, so schnell wie möglich die Schulden abzubauen, solange die Zinsen noch niedrig sind.-

Kino-Starttermin von „The Death of Stalin“ („Stalins Tod“) von Armando Iannucci war der 29. März 2018. Der Film dauert eine Stunde 48 Minuten. Ein Spielfilm mit Steve Buscemi, Simon Russell Beale, Jeffrey Tambor und anderen. Produziert in den Ländern der drei West-Siegermächte des Zweiten Weltkriegs: USA, Großbritannien und Frankreich. Die mit der Sowjetunion Berlin verwalteten. Berlin (West) war nichts anderes als die drei Sektoren der nichtsozialistischen Sieger. Ab 1961 mit einer Stadtmauer drumherum.

Wann und wo läuft der Film „The Death of Stalin“?

Am Dienstag, 19. Juni:

– Kino Cinderella, Hauptstraße 60, 86405 Meitingen, Dienstag 19. Juni, 17.30 und 20 Uhr
– Cine-Circus, Weintraubenstraße 15, 06366 Köthen (Anhalt), Dienstag 19. Juni, 17.30 und 20 Uhr
– Filmpalast Bernau bei Berlin, Börnicker Chaussee 1, 16321 Bernau bei Berlin, Dienstag 19. Juni, 20.30 Uhr
Freiluftkino Kreuzberg, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin, Dienstag 19. Juni, 21.45 Uhr Auf englisch mit deutschen Untertiteln. (U Kottbusser Tor; erreichbar über den Zugang gegenüber der Adalbertstraße 73. über den Mariannenplatz oder vom Bethaniendamm.) Eintritt EUR 7,50.
www.freiluftkino-kreuzberg.de
www.piffl-medien.de
(Am 20.6. im Freiluftkino um dieselbe Zeit (21.45 Uhr) läuft „I, Tonya“. Siehe dazu die beiden Links ganz unten.)

Am 20. Juni:

– Kinocenter Mengen,Hauptstraße 22, 88512 Mengen, Mittwoch, 20.Juni, 17.30 und 20.30 Uhr
– KW Kinocenter Worms, Wilhelm-Leuschner-Straße 20, 67547 Worms, Mittwoch, 20.Juni, 20 Uhr

Am 25. Juni:

– Olympia Schwarzenberg, Neustädter Ring 2, 08340 Schwarzenberg/Erzgebirge Montag, 25. Juni 2018, 18 Uhr und 20.15 (alle Angaben wie immer ohne Gewähr)

Nun noch 4 Links zu den Themen Feiertag, Freiluftkino im Hof von Bethanien am Mariannenplatz, Zivilcourage/ Veränderungen in der Bundesrepublik und Tonya-Harding-Film:

Zu Feiertagsdebatte und Reformationstag:

Freier Eintritt ins Cinemaxx 7 – Rosaana Velasco ante Portas! Kunst im Kino: „Breaking Religion – 500 Jahre Reformation“ in Berlin

Zum Mariannenplatz/ Bethanien (Ort des Freiluftkinos Kreuzberg)- siehe besonders den Abschnitt „Der Veranstaltungsort von „Voladores“ und seine Geschichte“:

Kieke mal Kike Arnal! Die unglaublichen „Voladores“-Flieger aus Mexiko in einer Fotoschau von Ximena de la Macorra oder: Wie Tugend und Kultur Frieden erhalten

Zu Schweigen und Zivilcourage:

Gesammeltes Reden … gesammeltes Schweigen. Benefiz-Matinée mit Hanna Schygulla im Filmkunst 66

Zum Film „I, Tonya“:

Die Leiden der Eis-Rebellin – White Trash auf Kufen: „I, Tonya“, eine gelungene Tragikomödie über Tonya Harding

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